Tino und sein Freund Axel aus dem Semliner Golfclub hatten sich bereit erklärt, mich auf ihre kleine Reise Anfang Januar 2007 nach Mallorca mitzunehmen. Ein weiter Spieler gesellte sich dazu und so trafen wir uns zu einem netten Golf-Quartett auf dem Flughafen von Mallorca. in Vierer-Flight, zwei Ecarts und reservierte Starzeiten auf den Plätzen Son Thermens, Son Muntaner, Son Vida, Pula und Son Pintero versprachen 5 tolle Golftage. Da der spanische Wettergott nach der vermasselten Reise im Jahr 2005 einiges gut zu machen hatte, fiel während unserer Tage kein einziges Tröpfchen Regen – von Schneeflocken ganz zu schweigen. Der einzige, aber nur ganz kleine Haken bei dieser Reise lag in der Tatsache, dass es schwierig ist, als Frau allein mit drei Männern zu spielen. Warum?
Ganz einfach: Das starke Geschlecht neigt dazu, mit dem Driver doch manchmal allzu herzhaft abzuschlagen und die Bälle leider überwiegend rechts und links vom Fairway in der Pampa verschwinden zu lassen. Schon nach den ersten Löchern am ersten Tag beschloss ich heimlich, still und leise: Für Drei kannst du nicht suchen……
Als neues Phänomen lernte ich auch zum ersten Mal die männliche „Zickigkeit“ auf dem Golfplatz kennen. Entsprechend dem miesen Score meines Mitfahrers im E-Cart kippte die Stimmung und ich sah mich genötigt, nach 9 Loch zu verkünden:
„Also Thomas: Wenn du weiter so schlechte Laune hast und so Scheiße drauf bist, dann geh zurück zum Clubhaus, trink einen Whisky und hör auf, Golf zu spielen.“
Große Augen auf der anderen Seite. Wie? Eine Frau macht Protest? Meckert? Meldet Probleme an? JA!
Ich riskierte den ganzen Urlaubstag, weil es im Laufe der ersten 9 Löcher unerträglich geworden war: 3 Männer spielen Golf und haben so einen wahnsinnigen Konkurrenzdruck, dass jeder einzelne nur noch Scheiße drauf ist. Muss ich das haben? Nee! Thomas nahm sich nach meiner Ansage etwas zusammen und brachte die zweiten 9 Loch halbwegs gefasst über die Bühne. Zurück blieb ein schlechter Geschmack: Warum gebe ich mir eigentlich immer so wahnsinnig Mühe, meine Mitspieler nie und nimmer mit meiner Enttäuschung zu konfrontieren, beziehungsweise zu nerven – wenn die Jungs es einfach nicht schaffen, sich auch mal zusammenzunehmen? Dann müssen sie einfach mal damit leben, 3 Abschläge hintereinander in die Pampa zu ballern. Na und? Himmel noch mal – Männer und Golf, das ist wirklich auch ein heikles Thema! Am Ende wollte ich dann aber natürlich nicht die ganze Reise gefährden und lernte wohl oder übel, mit den Befindlichkeiten meiner drei Mimosen klarzukommen. Da alle drei Herren bis zum Abschied am Flughafen zauberhaft zuvorkommend blieben, schienen sie von meiner Genervtheit auch nichts mitbekommen zu haben…….. (Typisch „Mann“ halt)

Während Tino am Abreisetag in Puntiro das beste Ergebnis seiner Golferkarriere verzeichnen konnte, haderte ich immer noch mit dem gleichen Problem: Wunderbare Schläge über die langen Distanzen, nur Murks, sobald das Green in Sichtweite kam. Langsam – ganz langsam dämmerte mir, dass die Sache nicht wirklich „rund“ lief. Es gelang einfach nicht, die Bälle mit einem kurzen Schlag Richtung Fahne zu befördern. Egal, ob den Berg hoch oder runter, ob nur über 3 Meter oder 20 Meter. Ein Ball nach dem anderen knallte „getoppt“ über das Grün hinaus, um irgendwo dahinter zur Ruhe zu kommen. Ohne es die Männer merken zu lassen, verzweifelte ich im Stillen immer mehr und wünschte mir das Ende der Reise herbei. Die letzten Stunden vor dem Rückflug ertrug ich nur mit absoluter Disziplin. In Wirklichkeit hätte ich weinen können, während Tino sein Ergebnis mit 92 Schlägen nicht genug preisen konnte.
Es war ihm ja gegönnt, mir wäre ein Mauseloch zum Verkriechen willkommen gewesen……

Da musste nun aber wirklich der Pro ran!!
Doch leider fiel die dritte für diesen Winter gebuchte Reise wegen eines dringenden OP-Termins aus. Was für ein Jammer! Und so ging ich mit der Hoffnung in die nun schon 4. Saison meines Golferlebens, dass ich endlich diese gottverdammten kurzen Eisen in den Griff kriege!

In diesem Jahr schien der Wettergott sein Herz für die Golfspieler entdeckt zu haben und bescherte uns einen so wunderbar milden Vorfrühling, dass es schon im März hinaus auf die Plätze ging. Nach dem Frust in Mallorca übermotiviert bis zum Geh-nicht-Mehr, suchte ich mir sogar in Berlin in der Innenstad eine Driving Range, um die neue Saison auch wirklich mit aller Kraft anzugehen und übte jede freie Minute. Es sollte doch endlich wieder voran gehen. Für die Ostertage wurden Hotelzimmer und Turniere gebucht und kaum konnte ich es erwarten, einmal wieder drei Tage hintereinander zu spielen.

Es folgte ein regelrechtes Blutbad: Zu den schon im vergangenen Herbst „verlorenen“ gegangenen kurzen Eisenschlägen gesellten sich nun auch die Hölzer. Abschläge knallten 30 Meter nach links ins Rough, mein geliebtes 3er-Holz produzierte Luftschläge und getoppte Bälle ohne Ende. Es war zum Heulen! Natürlich bewahrte ich die Contenance und ließ mir weder im Spiel, noch danach abends im Club etwas anmerken. Zu oft hatte ich mich über Mitspieler geärgert, die das Spiel durch diverse Wutausbrüche, Schlägerschmeißen und Kraftausdrücke unleidlich gemacht hatten. Beim 3. Turnier gab ich frustriert bis in die Knochen auf und riskierte lieber das demütigende N.R. (no return) auf der Ergebnisliste, als eine Punktezahl unter 20.

Als bei einer privaten Runde im Berliner Golfclub Gatow eine 12 unten auf der Scorekarte stand, ahnte ich, dass die Entscheidung, die ganze Ausrüstung bei der Rückfahrt von der Brücke in die Havel zu schmeißen, nicht weit entfernt war. Mitte Mai traf ich mich mit Tino in Semlin und wir spielten eine schöne Runde. Na ja, schön war die Runde für Tino, der Zauberbälle über das Fairway jagte und ahnen ließ, dass sein Handicap wohl heftig purzeln würde. Nicht schön für mich: Strich- Strich -Strich ……….  Am Ende der Runde verabschiedete ich mich fast wortlos von Tino, packte meine Sachen und fuhr nach Hause. So konnte es nicht weitergehen! Was zum Teufel war geschehen?

Warum spielte ich wie ein blutiger Anfänger im ersten Jahr? Im Auto grübelte ich frustriert hin und her. Die einzige Lösung – abgesehen vom Aufgeben – schien ein neuer Anfang zu sein: Trainerstunden, Trainerstunden und noch mal Trainerstunden. Dazu private Runden zum Üben und ganz sicher keine Turniere mehr. Ich buchte auf’s Neue meinen persönlichen PGA-Professional Ralf!  Zur ersten Stunde ging mein Lehrer mit mir zum ersten Loch und ließ mich abschlagen. Luftschlag. Dann ließ er mich bis zum Grün spielen, das Pitchen ersparte er mir schon und sagte nur: „Alles klar. Wir gehen zur Driving Range.“

Und als ob eine Zeitmaschine mich drei Jahre zurückversetzt hätte, stand ich wieder in der Video-Hütte und begann mit Miniaturschlägen über 10 Meter. Das ganze Programm von Null an: Handhaltung, Stand, Drehen, Schultern, Ausholen und Schlagen. Aber um Gottes Willen kein voller Schlag. Die ersten 2 Stunden vergingen ermüdend mit immer der gleichen Bewegung und immer wieder der gleichen Bewegung. Ansprechen, Ausrichten, Ausholen.

Am nächsten Tag erweiterte Ralf auf den vollen Schlag. Beginnend mit den kleinen Eisen bis zum Driver. 2 von 10 Schlägen ließen ahnen, wie ein richtiger Golfschlag sein könnte. 2 von 10!
Nach dem Unterricht ging ich wieder – wie 2 Jahre zuvor – allein auf den Platz und übte. Natürlich sind die Bedingungen im Gelände immer anders als auf der Driving Range und ein richtiger Erfolg stellte sich noch nicht ein. Doch konnte ich jetzt zumindest verstehen, warum ein Schlag getoppt war oder nach rechts im Rough verschwand: Falsche Handstellung, zu wenig Drehung.

Doch blieb die Frage, wie es sein kann, dass innerhalb eines Jahres die Qualität meines Spiels quasi gen Null tendierte. Die Antwort scheint offensichtlich: Ein Golfschlag besteht aus so komplizierten Bewegungen, dass er scheinbar nicht wie das oft zitierte Fahrradfahren vom Gehirn gespeichert wird und ein Leben lang zur Verfügung steht. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte ich ausschließlich Turniere gespielt, keine Trainerstunden genommen und keine privaten Übungsrunden mehr gespielt. In dieser Zeit musste sich die Bewegung wohl Stück für Stück so sehr verändert haben, dass sie am Ende mehr mit Holzhacken, denn mit Golfspielen vergleichbar war. Und trotz der vielen in der Vergangenheit absolvierter Trainerstunden, war ich nicht in der Lage, die Fehler selbst zu analysieren und den Schlag selbst wieder in die richtige Richtung zu korrigieren.

Der Sommer 2007 in Semlin verging in eiserner Selbstdisziplin!
Es fiel mir wahrlich schwer, jeden Freitagnachmittag die Golffreunde zum Abschlag des Freitagcups marschieren zu sehen. Jeder Einzelne in der Hoffnung, dem Schicksal wieder einmal den einen oder anderen Punkt für ein besseres Handicap abzutrotzen. Ich durfte nicht dabei sein – ich musste üben. Es gab keinen anderen Weg. Und natürlich fragten mich auch verschiedene Mitglieder, warum ich denn beim Turnier nicht mitspielen würde, doch waren sie viel sehr mit sich selbst beschäftigt, um den Erklärungen überhaupt Gehör zu schenken. Und so murmelte ich immer etwas von „schlechtem Schlag, Übungsrunden und vielleicht nächste Woche“, und zog von dannen. Aber Halt! Wenn ich mir selbst auch gelobt hatte, vernünftig zu sein und so lange zu üben, bis endlich wieder die magische 36 unten auf dem Scorezettel stehen würde, so belohnte ich mich in diesen Sommerwochen doch auch ein wenig selbst: Ich leistete mir für meine endlosen Alleinrunden ein E-Cart. Snobismus hin oder her, (in Brandenburg läuft der anständige Golfer per Pedes und fährt nicht mit so einem aufgeblasenen Auto über die tellerflachen Fairways) ich packte trotzdem meinen ganzen Kram ins Auto und ließ es richtig krachen. 27 Löcher hintereinander und mindestens die Hälfte mit 2 oder 3 Bällen gleichzeitig. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann mach ich das dann schon richtig!

Die Blicke der mir bekannten Clubmitglieder ließen zwar leichten Zweifel ahnen, ob es richtig ist, wenn eine einsame Lady im Auto über die Faiways kachelt, das war mir aber mal ausnahmsweise wurscht. Laufend hätte ich das nun mal einfach nicht geschafft. Punkt! Ganz tief im Hinterkopf gab es da ja auch noch ein magisches Datum: Das Sommerfest Turnier des Clubs am letzten Wochenende im August. Im letzten Jahr der unvergessene Höhepunkt eines Golfsommers, den nicht nur mein zweiter Platz im Turnier zierte, sondern auch ein lauer Sommerabend am hauseigenen kleinen See mit Grill, Musik und Gesprächen mit Freunden in der untergehenden Sonne.
In einem Wort: Ein unvergesslich schöner Abend!
Da wollte ich auch dieses Jahr dabei sein. Score hin oder her.
Die Hotelzimmer waren schon lange gebucht, die Wetterkarte im Internet mit Argusaugen Tage vorher schon beobachtet, und so reiste ich mit großer Vorfreude an. Mein Golfkumpel Tino, der große Klaus und viele andere Freunde würden dabei sein. Endlich wieder ein Turnier, endlich wieder dabei sein!
Und natürlich wieder einen so wunderschönen Abend erleben, wie wir es vor einem Jahr so sehr genossen hatten…. *Juchuuuu*, Semlin, ich komme, grinste ich bei der Anfahrt vor mich hin.

Die Realität war ernüchtern: Kein Fest am See, kein Grillen auf der Terrasse, kein Barfuslaufen im Sand und keine romantischen Cocktails im Mondlicht: Die Siegerehrung würde (wie immer) im Konferenzsaal des Hotels stattfinden. Der Sommer, die Nacht und die Mücken blieben sozusagen draußen vor der Tür….
Was blieb uns übrig? Tino, Thomas und ich wackelten brav die Treppe hoch und nahmen im sehr gut geheizten Saale Platz. Das Sommerfest 2007 im Golfclub Semlin wird definitiv nicht in die Analen der erwähnenswerten Events des Clubs eingehen. Es gab keine Rundenverpflegung, das Teegeschenk (nicht, das ich eines bräuchte) war eine Beleidigung und das anschließende Grillfest ein Fiasko. Schwamm drüber – obwohl ich mich maßlos geärgert und es am folgenden Morgen sogar gewagt habe, die Besitzerin des Clubs direkt anzusprechen und ihr meine Meinung frank und frei mitzuteilen:“Das war nun aber mal gar nix!“
Frau Lieberkühn senkte den Kopf und war sich jeder Schuld bewusst. Nützte zwar nichts mehr, ließ den Ärger aber etwas verrauchen.

Und natürlich besänftigte mich auch das Ergebnis meiner wochenlangen Bemühungen: Mit 32 Stablefordpunkten leuchtete der 2. Platz zwar immer noch in weiter Ferne, war als Resultat meiner endlosen Übungen aber doch schon offensichtlich. 32 statt 22 Punkte im letzten Turnier im Mai. Damit konnte ich leben. Die tiefen Verliese des erfolglosen Golfers schienen Vergangenheit zu sein. Eine aus der Not (wegen Überbuchung und zu früh eintretender Dämmerung) geborene Variante als 9-Loch Turnier für Handicapper über 36 am Freitag machte mir zwar keinen Spaß, ließ aber am Ende die Saison 2007 doch noch versöhnlich enden: Ich erkämpfte einen Punkt und verbesserte mich auf Handicap 37.
Versöhnt und hoffnungsvoll sagte ich Semlin im Stillen „Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr“, als ich beim letzten Besuch im Oktober vom Parkplatz fuhr.