Schon eine Woche vor Abreise erschienen für meinem ersten und zweiten Reisetag beim Wetterdienst im Internet bedrohlich schwarze Wolken und Gewittersymbole für Gran Canaria auf der Vorhersage. Mist aber auch. Vielleicht änderte sich die Lage ja noch? Bekanntlich stirbt die Hoffnung ja immer zuletzt………. Natürlich änderte sich nix und ein düster verhangener Ausblick vom Balkon zeigte am ersten Tag den Golfplatz von einer recht trüben Seite:

So ein verfluchter Mist!
Doch was kann einen Golfer schon abhalten, raus zu gehen, um zu spielen? Nichts, ist doch klar. Bis zur Mittagzeit tröpfelte es so leise vor sich hin und wer nicht über die Berge zurückblickte, um die rabenschwarzen Wolken zu sehen, die vom Meer herübergezogen kamen, durfte sich in Sicherheit wiegen, eine nasse, aber netten Runde spielen zu können. Irgendwann kam der Marshall angebraust, um sich zu erkundigen, ob wir genug Regenzeug dabei hätten?
„Heavy rain is coming…“, beschwor er die schwarzen Wolken. Ob wir abbrechen sollten?
Er winkte ab: „Not necessary“, und düste davon.

Nach diesem Intermezzo dauerte es noch ungefähr 6 bis 7 Minuten, bis der Himmel über unseren Köpfen zusammenbrach: Ein tosendes Unwetter ergoss sich über das gesamte Tal. Blitze zuckte herab und die Donnerschläge kamen immer näher. „Zurück!“, schrien wir uns gegenseitig zu und gaben mit den kleinen Elektroautos Gas. Der Regen prasselten waagerecht auf die Plexiglasscheibe. Es wurde lebensgefährlich, die starken Gefälle der überspülten Wege mit Vollgas zu nehmen und um nicht zu allem Unglück auch noch im Graben zu landen, ließ ich die beiden männlichen Mitspieler mit Vollgas zum Clubhaus zurückfahren und fuhr klitschnass, aber etwas vorsichtiger hinterher. Als eine der Letzten „rettete“ ich mich ins Caddyhaus, wohin sich schon 15 oder mehr andere tropfnasse Golfer vor Blitz und Donner in Sicherheit gebracht hatten. Aufgeregte, spanische Stimmen tönten aus den Walki-Talkies der beiden Caddyjungs. Irgendjemand wurde wohl noch draußen zu Fuß im Inferno vermutet und musste von ihnen gerettet werden. Leichte Katastrophenstimmung machte sich breit: Ob die Spanier überhaupt Blitzableiter an ihren Gebäuden hätten? Niemand aus der Truppe wusste die Antwort und allen Versprengten wurde noch unbehaglicher, während Blitz und Donner weiter über dem Tal tobten. Dann ging das Tor auf und einer der Marshalls fuhr direkt mit dem Transitbus davor. Wir wurden sozusagen ins Hotel „evakuiert“, um nicht doch am Ende noch Schaden zu nehmen.

Den Rest des Tages verbrachte ich im Bett mit der sensationell guten Autobiografie von Marianne Faithfull, die (fast) vergessen machte, das ein kostbarer Golftag buchstäblich ins Wasser gefallen war. Es regnete bis zum nächsten Morgen, dann verzogen sich Wolken und Unwetter und für die folgenden 9 Tage stand nur noch „Golf“ auf der Speisekarte.

Wie schon bei den vergangene 2 Besuchen in Salobre Golf, spielte ich jeden Tag 2 Runden, ohne Pause von morgens um halb neun bis abends um sechs. Dann wurde es dunkel.

Zu dem Thema „Dunkel-Werden“ gab es eine wirklich zauberhafte Episode: Leider – aber das muss nun auch mal gesagt werden – ist das einzig störende auf Salobre Golf die Tatsache, dass da so VIELE andere Golfer unterwegs sind….. Und wirklich VIELE…. Einige Runden bestanden überwiegend aus Warten und Grummeln. (Aber das kennt man ja auch aus dem eigenen Club am Sonntagvormittag) Am Nachmittag des zweiten Tages standen ungefähr 6 Elektroautos hintereinander am Abschlag der 14. Die Uhr zeigte fünf – um sechs, spätesten viertel nach ging die Sonne unter. Man kam ins Gespräch.
Ein spanisches Ehepaar –
2 norwegische Herren –
Ein finnisches Pärchen –
1 Deutscher –
Und last but noch least: Meine Wenigkeit.
Während die Herren des vorspielenden Vierer-Flights vor aller (wartenden) Augen den dritten provisorischen Ball in der Schlucht versenkten, entspann sich unter uns Wartenden ein nettes, innereuropäisches Palaver. Natürlich in „Broken Englisch“…. Zusammenfassend ging es darum, dass es in Kürze dunkel werden würde, die ganze Sache sowieso keinen Zweck mehr hätte und ob es nicht klüger (und lustiger) wäre, wenn wir 8 Personen quasi alle internationalen Regeln über Bord schmeißen würden und einfach zusammen weiter spielen würden. OK – sooo schnell wie jetzt geschrieben, ging die Meinungsbildung natürlich nicht vonstatten! Das dauerte schon ein bisschen, bis allen Beteiligten klar wurde, dass bei dem voranspielenden Rentner-Vierer niemand von uns innerhalb einer Stunde die noch verbleibenden 4 Löcher würde regulär beenden können. Als der Groschen unisono gefallen war, begann ein großer Spaß: Alle schlugen ab, alle suchten auf dem Fairway jeweils den richtigen Ball und alle putteten in der Reihenfolge! Für eine Stunde (und ein paar Minuten länger) waren 8 Fremde wirklich eine Gemeinschaft! Selten habe ich beim Golf so viel gelacht, so gekichert und so viel Applaus für einen sensationellen Putt eingeheimst…. Als wir am 18ten Loch endlich den letzten Ball versenkten, war es stockdunkel und bei den anschließenden Umarmungen küsste wirklich mal JEDER JEDEN!

Danach spielte ich während aller Tage am Vormittag auf dem (einfacheren) Südplatz zusammen mit anderen, am Nachmittag auf dem schweren Nordplatz aber allein und unbehelligt. Als zu bergig und „unspielbar“ verschrien, kann der fleißige Golfer hier auf dem Nordplatz wirklich in Ruhe üben und unbehelligt von nachfolgenden Spielern auch noch den vierten Abschlag in der Schlucht versenken. Das folgende Bild habe ich fotografiert, weil auf einer Runde plötzlich unanständig viele Menschen vor mir herumwuselten:

An den anderen Tagen sah der Platz eher so aus:

Während der ersten 2 Tage fiel es sehr schwer, die herbe Enttäuschung zu überwinden, dass sich nicht – wie erhofft – alles zum Besten entwickelt hatte. Denn im Stillen hatte ich gedacht, nun endlich die Früchte des mühseligen Golfer-Jahres zu ernten und sensationell gute Scores spielen zu können. Und musste wirklich heftig daran knabbern, dass die Anzahl der Schläge auf den ersten Runden im Großen und Ganzen denen aus dem vergangenen Jahr entsprachen. OK – die Runden mit 120 Schlägen aus dem Jahr 2008 waren Vergangenheit. Aber 108 bis 111 Schläge hatte ich auch im vergangenen Jahr auf den ersten Runden gespielt.
Schade. Es fiel mir wirklich schwer, diese Niederlage zu überwinden. Dann konzentrierte ich mich ab dem dritten Tag bei den langen Schlägen extrem auf die Körperdrehung und siehe da, plötzlich flogen die Bälle in den Himmel! Keine Topper mehr, keine Hacker und sogar die Richtung stimmte. Das Lange Spiel bekam in Kürze eine Qualität, dass ich sogar oft von den (meist sehr guten) Mitspielern Applaus bekam: „Good shot…!“ kommentierte sogar eine komplett verkniffene Mitspielerin aus Finnland, die so verbiestert und verknittert war, dass sie bis auf diesen kurzen Kommentar über 18 Loch kaum ein freundliches Wort heraus brachte. „Meine Güte, Mädel“, dachte ich im Stillen: „Ich will deinen Graubart von Ehemann doch gar nicht. Mach dich doch mal locker…“ Aber sie spielte mit HCP 5,irgendwas sensationell gut. Das musste ich trotz der miesen Stimmung neidlos anerkennen. Bis zum Ende der Reise hörte ich dieses wunderbare:
„Good shot“ noch öfter und schwebte wie auf Wolken.

An einem Par Drei schaffte ich plötzlich wie aus heiterem Himmel den Abschlag genau Mitte Green (166 Meter) und am 18ten Loch, einem heftig bergan steigenden Par Fünf spielte ich die exakt 500 Meter mit 4 (perfekten) Schlägen. Ein Erfolg über 300 Meter mit 2 Schlägen an den hinteren Greenrand eines Par Vier reihte sich ein. Bei Annäherungen über 70 bis 80 Metern experimentierte ich mit den „halben“ Hölzern, die Billy mir noch kurz vor Schluss der Saison in Berlin gezeigt hatte und erzielte wirklich erstaunlich gute Erfolge. Nicht so anfällig für Fehler wie Eisen, trudelten diese nur halb geschlagenen Hölzer brav die meist erhöhten Greens hinauf und blieben in akzeptabler 2-Putt-Distanz liegen.

Die Anzahl der Schläge auf den Runden reduzierte sich in Richtung 105, 103 bis 101. Da war Schluss. Das zweite Ziel des Jahres, nach dem Unterspielen des 30iger Handicaps auch noch eine Runde unter 100 zu spielen erfüllte sich nicht. Die Bäume sollen ja auch nicht zu schnell in den Himmel wachsen!

Neben dem Langen Spiel trainierte ich während der einsamen Runden auf dem Nordplatz das Kurze Spiel wie eine Bekloppte: Annäherungen bergab und bergauf, chippen und pitchen über verschiedene Distanzen und elend lange Putts über wellige, abfallende oder ansteigende Greens. Irgendwann begriff ich, dass es manchmal auch nützlich ist, nicht unbedingt „schön“ spielen zu wollen und versuchte, extrem abfallende Annäherungen zum Green mit dem Putter zu spielen, obwohl ein Chip natürlich viel eleganter gewesen wäre. Scheiß drauf, wenn der Chip getoppt über das Green hinaus in den Bunker fliegt…… Manchmal muss der Klügere halt nachgeben. Interessanter Weise spielte ich kurz nach dieser Erkenntnis eine Runde mit einem wirklich guten Spieler aus Norwegen und beobachtete, dass er genau das tat, was ich kurz vorher als klug erkannt hatte: Er spielte die stark abfallenden Chips mit dem Putter! BINGO! Auf meine Frage nach dieser Taktik bestätigte er genau meine Beobachtungen: Ein verpatzter Chip würde weit über die Fahne hinauslaufen und den Punkt kosten, während ein zu kurz geratener Putt nie so folgenreich sei. AHA! Wieder etwas gelernt.

Während dieser Reise las ich morgens beim Frühstück noch einmal das Buch „Inner Game Golf“ und verstand von Tag zu Tag mehr, wie der Autor es meinte, wenn er davon schrieb, Golf zu „fühlen“, anstatt zu versuchen, technischen Anweisungen zu folgen. Während der letzten 2 Tage gelangen so sensationell gute Schläge, dass ich wirklich das Gefühl hatte, etwas gelernt zu haben. Schade nur, dass es in Deutschland bis zum Frühjahr kaum Gelegenheit geben würde, diese Erfolge zu speichern und zu vertiefen. Schade!

Während dieser dritten Reise habe ich mich nun endgültig in Salobre-Golf verliebt! Es ist natürlich ein bisschen irre, im Urlaub morgens um halb sieben den Wecker klingeln zu lassen, im Dunkeln durch das schlafende Hotel zum Frühstück zu tapsen, mit 10 oder 15 anderen Irren in aller Herrgottsfrühe Kaffee zu trinken, um dann um kurz nach acht Uhr (wenn die Dämmerung gerade mal ins Tageslicht herüber gleiten will) die Klamotten in ein kleines Elektroauto zu schmeißen, aufs Gas zu drücken und durch die kühle Morgenluft über die Bergstraße zum Golfclub zu fahren. Und obwohl, oder vielleicht gerade weil das ein bisschen irre ist, bin ich diesen Weg jeden Morgen mit einem verrückten Glücksgefühl und einem breiten Lächeln gefahren. Jeden Morgen wieder habe ich diese tiefe Freude gefühlt, genau hier zu sein, genau durch dieses Tal zu fahren und genau hier meine kleinen weißen Bällchen über den grünen Rasen bergauf und bergab zu spielen. Keine Yacht in Monte Carlo und kein schneeweißer Strand in der Karibik wären mir verlockender gewesen, als dieses karge, bergige Tal mit seinen zerzausten Palmen, Bunkern und Fairways.

Natürlich habe ich alle anderen Golfer auf den unterschiedlichen Runden gefragt, ob es auf den Kanaren irgendwo einen vergleichbaren Platz gäben und ob ich vielleicht etwas „noch Tolleres“ versäumen würde, wenn ich nicht danach suchen würde. Niemand wusste von einem besseren, interessanteren oder schöneren Platz zu berichten. BINGO!

Und außerdem haben mich fast alle Caddyjungs wieder erkannt und waren übereinstimmend alle einer Meinung:
„Tiiina, here you are at home!“
Na, wenn das nix ist?

Dann bliebe noch zu berichten, dass ich Wilfried und Reinhard kennen gelernt habe: Zwei alte, ergraute Golfhaudegen aus Deutschland, die von Oktober bis April auf Gran Canaria „residieren“ und zusammen 5 Mal in der Woche Golf spielen. Mehr geht nicht, da Reinhards Ehegattin an den verbleibenden 2 Tagen in der Woche ihr Recht einfordert….. Die beiden waren so nett, während unserer gemeinsamen Runden ein paar Photos zu machen, die den Bericht über meine Reise 2010 abschließen werden:

Halt, noch auf ein Wort: Der Rückflug nach Deutschland geriet leider durch das Schneechaos auf den Berliner Flughäfen zum relativen Desaster! Mit Notübernachtung und allen anderen Sperenzien brauchte ich 25 Stunden, um nach Hause zu kommen. Mist – aber auch leider nicht zu ändern….  Die stundenlangen Wartezeiten auf dem Flughafen und im Flugzeug versüßte mir das umwerfend komische Buch: „COMA“
Diese wunderbar verrückte, liebenswerte und einmalige Geschichte MUSS einfach jeden lesenden Golfer – der ein Mindestmaß an Humor besitzt – zutiefst entzücken! Ohne dieses Buch hätte ich die vielen sinnlosen Stunden Wartezeit wahrscheinlich nicht so munter überstanden! Mehr darüber in meiner Rubrik „Golf lesen“.

Während der vielen Wartestunden auf dem Airport und im Flieger, kam mir dann die Idee, in Berlin mal nach einer „In-Door-Möglichkeit“ zu suchen. Irgendwie erschien es mir wirklich lausig schade, die so nett funktionierenden Bewegungsabläufe der Schmach des schnellen Vergessens auszuliefern. Ob das eine gute Idee ist?
Keine Ahnung, schaun ‚mer mal……