Die sechste Saison:

Ende März spielte ich in Gatow die erste Runde als (fast) richtiges Mitglied. „Schnuppermitgliedschaft“ wurde dieses Stadium zwischen Gast und wirklichem Mitglied genannt. Es war schweinekalt, die Wintergrüns galten noch und sogar auf den Fairways musste der Ball aufgeteet werden. Aber egal – ich hatte mir für diese neue Saison viel vorgenommen: Endlich besser werden! Endlich akzeptables, verlässliches Golf spielen! Da konnte mich die selbst die unwirtlich karge Natur nicht schrecken. Der 6. Abschlag im März 09:

Mit der Entscheidung für den Golfclub Gatow in Berlin änderte sich alles schlagartig: Plötzlich bekam Golf fast die gleiche Normalität in meinem Alltag, wie das Fitnessstudio: Früh aufstehen – Tee kochen – Brot schmieren – raus fahren – Abschlag cirka 8 Uhr dreißig – 18 Loch stramm spielen – zurückfahren und um 14 Uhr fit für die anderen Belange des Lebens sein! SUPER! Ich hatte mir vorgenommen, mindestens 2 Runden in der Woche zu spielen und dank einem bilderbuchmäßigen Frühling gelang mir das auch locker. Ich lernte die ersten Mitglieder kennen und spielte Mitte Mai das erste Turnier bei den Damen mit und gewann zu meiner wirklich großen Freude den ersten Preis in meiner Klasse: 40 Punkte und damit ein neues Handicap von 30,6.

Bis dahin schienen alle Pläne Realität zu werden. Nur ein kleiner Schönheitsfehler lag mir auf der Seele: Obwohl das Üben ganz oben auf der Prioritätenliste prangte, fand es leider wieder nicht statt. Die frühen Abschlagzeiten ließen keinen Raum für mehr, als eine Viertelstunde am Chippinggreen und nach dem letzten Einlochen am Clubhaus drängten schon wieder die Pflichten in der Stadt. Mist! Ich konnte mich nicht dazu durchringen, auf eine Runde zu verzichten, um ausschließlich auf der Range zu üben und ohne „richtiges“ Spiel wieder nach Hause zu fahren. Das aller schlechteste Gewissen beruhigten wöchentliche Besucher bei den Golfer’s Friends am oberen Kudamm, doch ließen die Mattenschläge nicht wirklich eine Verbesserung zu. Und außerdem wusste ich ja gar nicht, was ich eigentlich üben sollte……….. Mist! So geht das nicht weiter! Der absolute Tiefschlag erreichte mich per Post:
Mein Golffreund Tino hatte kurz vor unserer kleinen Reise im Herbst nach Mallorca eine niegelnagelneue Kamera käuflich erworben und gefilmt, was das Zeug hielt. Als mich dann im Mai 2009 sein fertig geschnittenes, liebevoll bearbeitetes und vertontes Erstlingswerk erreichte, stockte mir beim Anblick meiner Golfschläge der Atem: Konnte es wahr sein, dass ich so grottenschlecht, so unkoordiniert und so vollkommen sinnlos mit dem Schläger nach dem armen Ball hackte? Ich konnte, hier ist der Beweis:


Oh Gott! Konnte das wahr sein? Doch brachte mich der Film nun endgültig zu der Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen könnte und ein neuer Lehrer in Berlin die Sache in die Hand nehmen musste. Nach dem Abschied von Ralf in Semlin hatte ich ja auch keinen Trainer mehr und beschloss, nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Über Internet buchte ich die erste Übungseinheit beim Headpro von Gatow. Billy ließ mich einige Schläge machen (die nebenbei bemerkt so gut waren, dass ich noch ein Jahr zuvor vor Freude den Boden geküsst hätte) kuckte ungerührt und fragte mich, wie viel Wahrheit ich denn vertragen könne. „Alles“, antwortete ich, denn ich war ja nicht aus Langeweile bei ihm angetreten, sondern aus der Überzeugung, dass Grundlegendes in meinen Schlägen falsch war. Billys karge Antwort lautete so:
„Du schlägst ganz passabel, wenn du in diesem Sommer fleißig Turniere spielst, wirst du früher oder später mit ein bisschen Glück auf HC 24 kommen. Aber nicht weiter. Da ist Schluss. Wenn du weiter kommen willst, musst du von vorne anfangen. Ganz von vorne. Das wird mühselig und heißt viel Arbeit und wird ungefähr ein oder zwei Jahre dauern. Willst du das?“
WOW! Das saß. Nun gut, geahnt hatte ich es ja: Der Schlag war schon im Rückschwung konfus und wie man auf dem Video sehen konnte auch noch mit einem kleineren „Hopser“ verziert. Darum traf der Durchschwung dann nie – oder fast nie – square zum Ball. Daher die endlosen Topper. Mir hatten ja schon genug fremde Spieler gesagt, dass mein Schlägerkopf oben in der Luft „herumrudere“. Auf dem Video war klar zu sehen: Ich reiße die Arme hoch und hauen von oben senkrecht auf den Ball herunter. Der Schläger bewegt sich nicht auf der gleichen Ebene hoch wie auch wieder herunter, sondern beschreibt im schlimmsten Fall eine „Acht“, ähnlich dem Endlos-Zeichen. Traurig – aber leider nicht zu ändern. Nach 5 Jahren hieß es nun:
GEHE ZURÜCK AUF LOS!
Aber eine Frage an den Trainer lag mir doch noch auf der Seele:
„Sag mal Billy, wie kann es denn möglich sein, dass ich ab und zu absolute Zauberschläge hinlege? So gute Schläge, dass ich denke, besser wird es in naher Zukunft nicht. Und im nächsten Moment toppe ich jeden Ball, als wolle ich ihn totschlagen. Kannst du mir das erklären? Wie ist das möglich?“ Billys Antwort gab mir endlich die lang gesuchte Erklärung:
„Du hast in den letzten Jahren so viel Golf gespielt, dass dein Körper im Unbewussten weiß, was er tun soll. Er versucht ständig, deine falschen Bewegungen auszugleichen und „irgendwie“ den Schlägerkopf gerade an den Ball zu bringen. Darum machst du diese Schlenker. Aber das klappt eben nicht immer und dann triffst du brachial von oben oder von der Seite. Bei den gelungenen Schlägen hat es einfach per Zufall funktioniert, ohne dass du es bewusst gesteuert hast. Aber wenn du wirklich besser werden willst, willst du sicher dein Spiel nicht auf zufällige Treffer aufbauen. Wenn sie auch in den letzten Monaten immer häufiger gekommen sind. Oder?“

OK – das war also die Antwort! Im letzten Winter auf Mallorca hatte ich mich noch frustriert gefragt, warum die Schläge nicht automatisierbar waren und nach nur 2 Monaten Pause scheinbar alles vergessen war. Nur war mir in dem Moment nicht bewusst, dass ich da noch gar keinen „richtigen“ Schlag zur Verfügung hatte, der auch nur annähernd zu automatisieren gewesen wäre. Böse ausgedrückt hatte ich in den letzten Jahren schon etwas verinnerlicht: Den falschen Schwung. Es war müßig, darüber nachzudenken, warum nicht schon der letzte Neuanfang (Und auch der Vorletzte) diese Erkenntnis gebracht hatten. Lassen wir die Vergangenheit ruhen und schauen nach vorne: Denn natürlich war es keine Frage, dass es nun zum dritten Mal hieß, wieder mit halben, minimalen Schlägen anzufangen und mühsame Stunden in der Holzbox des Trainers zu verbringen. Allerdings lautete die erste Aufgabe kein „halber“ Schlag. Nein, Billy machte Tabularasa und begann mit dem Griff! Mein Griff – auf den ich so stolz gewesen war, weil ich ihn für den einzig richtigen gehalten hatte. So eine Mega-Scheiße!
Bullshit – Kommando zurück und alles auf Anfang. Schon der neue Griff beschäftigte mich 2 volle Wochen und ich musste mich bei jeder privaten Runde bei den Mitspielern entschuldigen: „Seid nicht böse, aber der Pro hat meinen Griff umgestellt, da muss ich wenig rumfummeln…….“

Eine hübsche Impression: Im Gegensatz zu Semlin, wo man niemals mit anderen Spielern zusammen auf die Runde gehen kann, weil alle ALLEINE spielen wollen, spielt man im Golfclub Gatow ohne zu zögern mit Jedem, der zur gebuchten Zeit am Abschlag auftaucht. Egal ob Männlein oder Weiblein, egal ob Mitglied oder Gast und natürlich auch egal, ob Superspieler oder verschusselter Anfänger. So geschah es, dass ich mit einer der besten Damen des Clubs (Handicap 6) im Flight spielte und wirklich gutes Frauen-Golf bewundern konnte. Simone musste sich allerdings am 14. Loch verabschieden, da sie eine Trainerstunde hatte und für die am nächsten Tag anstehenden Mannschaftsspiele gefittet werden sollte. Soweit so gut.
Ich setzte das Spiel fort, krabbelte nach 18 Loch zu Tode frustriert in meinen kleinen Golf und fuhr Richtung Heimat. Dabei führt der Weg an den Holzboxen der Driving Range vorbei und im langsamen Vorbeifahren sah ich für den Bruchteil eines Augenblicks Simone mit dem Trainer in der Box stehen und ich sah, wie er ihren Arm führte – genauso, wie er einen Tag zuvor meinen Arm geführt hatte. Gleiche Bewegung – gleiche Lektion… Und die Moral: Egal ob Handicap 6 oder 30: Am Ende stehst du wie ein Anfänger in der Box und der Lehrer führt zum tausendsten Mal deinen Arm…. BUHHHHHH

Und es wurde wirklich haarig: Selbst nach der 10. Lektion mit dem Pro waren wir Mitte August noch keinen Schritt weiter gekommen. Ich stand immer noch in der Box und übte die Bewegung des Rückschwunges. Denn leider sollte ich erst 2 Jahre später begreifen, dass eine Rückkehr auf „Null“ technisch gar nicht möglich war, da die „falsche“ Bewegung ja schon felsenfest im Unterbewusstsein abgespeichert war und nicht durch Willenskraft einfach weggewischt werden konnte, sondern mühsam Zentimeter um Zentimeter würde „verändert“ werden müssen. Nach so vielen Jahren Golf war da nix mit einfach mal „neu“ anfangen. Gar nix! Aber das muss Frau erst mal kapieren…….. Die schreckliche „Rumruderei“ hinter meinem Kopf war so tief im Unterbewusstsein verankert, dass Billy und ich hart auf die Probe gestellt wurden, nicht die Nerven zu verlieren und hinzuschmeißen. Anstelle meiner Golfkünste blühte aber die Natur.
Der 6. Abschlag im August 09:

Gegen jede Vernunft spielte ich weiterhin die clubinternen Damenturniere am Dienstag und verschlechterte mein Handicap natürlich Step by Step. Klar!
Aber Billy meinte, dass die Turnierspielerei nun auch nix mehr kaputtmachen würde und es wäre für ein neues Mitglied genauso wichtig, Kontakte zu knüpfen und die anderen Ladies kennen zu lernen. Und das tat ich dann auch. Beim Turnier am 11. August ging ich zwar mit leidigen 24 Punkten vom Platz, hatte aber am 17 Loch – einem langen Par 5 – ein wunderschönes Par hingelegt: 5 perfekte Schläge hintereinander, wie sie einfach nicht besser sein konnten! Perfekter Abschlag, 2 hinreißende Hölzer, ein langes Eisen einen Meter neben die Fahne und ein sicherer Putt – ich riss die Arme hoch und freute mich wie eine Schneekönigin. GOLF KANN SO ATEMBERAUBEND WUNDERVOLL SEIN……….

Bis zum Ende der Saison buchte ich weiter Woche für Woche die Lektionen bei Billy. Eine Neuerung – die es in den vorangegangenen Jahren noch nicht gegeben hatte – machte den Unterricht wesentlich effektiver: Es war möglich 30 Minuten-Einheiten zu buchen! Eine volle Stunde ist (jedenfalls für mich) einfach zu beladen mit Informationen und viel zu anstrengend, um sie wirklich auszunutzen. Die kürzeren Einheiten animierten mich dazu, eine Stunde vorher auf der Range mit dem Üben zu beginnen, dann folgte der Unterricht und danach nahm ich mir noch mal eine gute Stunde, um das Gelernte zu üben. Whow! So hatte ich es mir vorgestellt und insgeheim war ich richtig stolz auf mich, dass ich es sogar mehrmals schaffte, NUR ZUM ÜBEN nach Gatow zu fahren……. Nebenbei wuchs aber auch die stille Erkenntnis, dass ich definitiv und eindeutig nun mal kein Naturtalent war! Nach 16 Lehreinheiten beendete ich Mitte Oktober die Saison bei Billy und wir einigten uns auf den friedlichen Konsens, dass ich meinen Schwung wirklich und wahrhaftig geändert hatte, dass Verbesserungen sichtbar, fühlbar und messbar waren und die Zukunft noch einiges an Fortschritten bereithalten würde. Was will man mehr?

Und dann hatten die Höheren Mächte zum Ende des Jahres auch noch eine wirkliche Versöhnung für mich bereit: So, wie ich in diesem Jahr das ERSTE Damenturnier der Saison in meiner Klasse gewonnen hatte, so gewann ich auch das LETZTE und verbesserte mich sage und schreiben um 0,5 Punkte zurück auf 31,7. Böse Zungen könnten jetzt sagen:
Außer Spesen – nix gewesen. Aber so sehe ich die Sache nicht.
Im Gegenteil: Es ist so viel passiert! Ich habe viele neue Menschen kennen gelernt. Ich habe diesen wunderbaren Sport noch mehr lieben gelernt, als in den Jahren zuvor.
Ich habe in wirklich netten Flights (na ja, ein paar Idioten gibt es überall) bei Regen und Hitze tolle Runden gespielt. Ich habe Traumbälle und fürchterliche Nieten geschlagen und auf mehr als 60 Runden bei jedem einzelnen Schlag versucht, mein Bestes zu geben. In einer der letzten Runden habe ich auf der Bahn 2 und der 10 ganz für mich alleine jeweils Par gespielt und – obwohl niemand dabei war – die hinreißenden Schläge richtig genießen können. Ich danke dir – Dieter – dass du als Single-Handicapper die Geduld aufgebracht hast, mich den ganzen Sommer zu begleiten und dich immer wieder mit mir am frühen Morgen auf ein Spiel zu verabreden. (So etwas gab es in Semlin in Tausend Jahren nicht) Und natürlich danke ich dir für alle deine kleinen Ratschläge und Tipps („Lass die Hüfte stehen“) die immer erst Tage später fruchteten. Eine wunderbare Saison geht zu Ende. Die Blätter fallen und es wird kalt und ungemütlich. Der 6. Abschlag im Oktober 09:

Nun ja – eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, in diesem Jahr auch zum ersten Mal über die Wintermonate weiter zu spielen. Ein Tragebag für 5 Schläger habe ich natürlich schon und zum ersten Mal seit 10 Jahren werde ich auch mein Auto mit Winterreifen fit machen. Gatow ist schon ein paar Takte weiter entfernt, als das KADEWE am Kudamm. Ob meine Golf-Lust über den Wetter-Frust siegen wird? Schaun ‚mer mal……….